Der Start:

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als im Herbst 2001 die Eröffnung unseres neuen Liftarchivs stattfand. Man blickte in einen gläsernen Aufzug, in dem die sogenannte Archiv-Lounge, bestückt mit rotem Sofa sowie eine Diaprojektion zu bewundern waren. Das Projekt fand zunächst wenig Beachtung und warf bei der Mitarbeiterschaft allenfalls die Frage auf: „Was hat das mit uns zu tun?” oder die Kritik: „Für so was hams Geld”.Aber selbstverständlich: Die Kunst ist frei. Jeder kann sich seine eigenen Gedanken machen.

Die Entwicklung:

Ebenfalls gut erinnern kann ich mich an die zweite Installation: Es wurde ein Videoclip abgespielt, in dem Damen in Netzstrumpfhosen erotisch in den Wartebereichen des KVR posierten und agierten. Diese Installation löste vor allem bei den Mitarbeiterinnen erheblichen Unmut und Verärgerung aus. Es wurde nämlich assoziiert, dass sich Antragsteller vor der Behörde erniedrigen bzw. „prostituieren” mussten, damit ihrem Anliegen entsprochen wurde.Wegen der Filmsequenzen mit ihren erotischen Anspielungen fielen gegenüber den Mitarbeiterinnen des öfteren anzügliche Bemerkungen.Aber auch hier erinnerte ich an die Kunstfreiheit.Wieder appellierte ich daran, Offenheit für Kunst zu zeigen. Die nächsten beiden Installationen „Intervall” und „Öffentliches Sprechen”führten innerhalb des Hauses nicht zu direkten Konflikten, jedoch bestanden weiterhin Irritationen gegenüber dem Gesamtprojekt.

Blume-Beyerle

Leiter Dr. Wilfried Blume-Beyerle

Die Interaktion:

Dann kam der Herbst 2003 und eine neue Installation im Liftarchiv unter dem Titel „Brauchen wir wirklich einen neuen AntiImperialismus? Videointerviews und Installation in Zusammenarbeit mit schleuser.net”. Über ein Tonband wurde „Werbung” für die Flüchtlingsinitiative „Karawane” gemacht und dargelegt, dass sich „Flüchtlinge von Politikern und Schreibtischtätern nicht sagen lassen, wannsie sich von A nach B zu begeben haben”. In einem Videoclip wurde die Rolle des KVR im Rahmen der Sicherheitskonferenz und der damit verbundenen Globalisierungsproblematik in Frage gestellt. Das Gesamtkonzept erweckte den Eindruck, dass es sich hier um eine Meinungsäußerung des KVR handeln würde. Dies war auch bei gutem Willen nicht mehr akzeptabel. Das KVR vollzieht mit dem Ausländerrecht geltendes Gesetz und füllt Ermessensspielräume, so weit vorhanden, mit Augenmaß aus. Die „Karawane” dagegen war mehrfach nicht bereit, Behörden- und Gerichtsentscheidungen zu akzeptieren und verhindert rechtmäßige Abschiebungen. Eine Werbung für diese Organisation in den Räumlichkeiten des KVR provozierte nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern war auch aus politischen Gründen untragbar.

Letztendlich geht es um die Neutralitätspflicht der Verwaltung, gerade in so sensiblen Bereichen wie dem Ausländerrecht. Diese Neutralität der Staatsgewalt ist dort nicht mehr gewahrt, wo der Anschein entsteht, die Behörde setze sich mit einem Thema wie Antiimperialismus auseinander und mache „Werbung” für die „Karawane” und das „schleuser.net”. Genau dies geschah aber bei dieser Präsentation des Liftarchivs. Mir blieb also letztendlich nichts anderes übrig, als diese Präsentation zu stoppen. Und plötzlich war ich selbst Aktionskünstler, denn die Schließung dieser Installation wurde von den Künstlern als neue Installation interpretiert und blieb als solche über den kompletten Zeitraum erhalten. Mit einem solch fulminanten Einstieg in die aktive Kunst hatte ich nicht gerechnet.

Gewachsener Dialog:

Die kontroverse Diskussion, zum einen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses und zum anderen, nach diesem Höhepunkt, auch immer wieder mit den Künstlern selbst haben letztendlich zur Entwicklung eines konstruktiven Dialogs geführt. Es konnte Verständnis auf beiden Seiten für die Rolle des jeweils anderen entwickelt und so ein Dauerkonflikt vermieden werden.Auch wenn dahingestellt bleiben kann, ob das Liftarchiv tatsächlich große Akzeptanz im KVR gefunden hat, möchte ich doch festhalten, dass ein Scheitern des Gesamtprojektes gemeinsam verhindert werden konnte und ein wichtiges Anliegen on Kunst, nämlich Anregung für eigene Gedanken zu sein, sicherlich erfüllt wurde. Die nachfolgenden drei Installationen „TAZTemporary Autonomous Zone”, „Stimmen für ein Bild”, „Das BURQA Projekt - an den Grenzen meiner Träume begegnete ich dem Geist meines Doppelgängers” wurden, nicht zuletzt aufgrund des zwischenzeitlich guten Dialoges mit den Künstlern, besser angenommen.

Blume-Beyerle

Leiter Dr. Wilfried Blume-Beyerle

Resümee:

Aus meiner Sicht hat die Auseinandersetzung mit der Kunst im Liftarchiv des KVR beide Seiten bereichert und letztendlich gezeigt, dass auch im Gebäude einer Sicherheitsbehörde die Möglichkeit besteht, Kunst zu zeigen, selbst wenn sie mit der Aufgabenstellung der Behörde in Konflikt gerät. Ebenso wurde jedoch deutlich, dass gewisse Grenzen seitens der Kunst akzeptiert werden können.

Dr. Wilfried Blume-Beyerle ist Leiter des Kreisverwaltungsreferates